Donnerstag, 2. Dezember 2010

The new Muslim Generation


Wovon reden wir eigentlich, wenn wir von den Muslimen hier in Deutschland sprechen? Wie gläubig sind die Muslime?  Wie integriert sind sie? Gibt es „den Muslim“ überhaupt? Oder sind die Muslime eigentlich ganz unterschiedlich?

Als ich konvertiert  bin, gab es für mich keinen Unterschied zwischen Muslim und Muslim. Doch mittlerweile stelle ich fest, dass man allein hier in Deutschland auf extreme Unterschiede trifft.  Nicht jeder, der sich Muslim nennt hat die gleichen Werte und Normen, nicht den gleichen Hintergrund, nicht die gleichen Perspektiven oder Zukunftswünsche. Ich erzähle euch nun, weshalb es recht blauäugig  wäre zu erwarten, dass eine solch heterogene Gruppe wie die Muslime für gleiche Werte und Ziele einsteht.

Laut der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ des  Nürnberger Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beträgt die Anzahl der in Deutschland lebenden Muslime zwischen 3,8 Mill. Und 4,3 Mill. (5% der Gesamtbevölkerung). Bei den Geburten beträgt der Anteil der Kinder mit muslimischem Hintergrund allerdings bereits 10% und im Ruhrgebiet ist mittlerweile fast jeder vierte Schüler Muslim.
Reden wir zunächst einmal über die vier Millionen Menschen, die von sich selbst sagen, sie seien Muslime. Manche von ihnen sagen dies mit Bestimmtheit, andere, weil sie in die Religion hineingeboren sind oder es auf ihrem Pass steht.

Die meisten von  ihnen stammen aus der Türkei oder haben türkische Wurzeln(2,5Mill.). Das Bild, das viele Deutsche vom Islam haben ist deshalb auch eng verwoben mit der türkischen Kultur. Die restlichen Muslime kommen unter Anderem aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Iran (1,7 %), Marokko, Afghanistan, Libanon, Pakistan, Syrien und Tunesien. Hinzu kommen immer mehr deutschstämmige Muslime, die zum Islam konvertiert sind. 

Von diesen Muslimen sind nicht alle gleich religiös, für manche spielt die Religion gar keine Rolle und für andere ist sie in ihrem Leben zentral. Ein Drittel (36%) der Muslime stuft sich selbst als sehr gläubig ein, 50 % als „eher gläubig“. 13,6 Prozent geben an, eher nicht oder gar nicht zu glauben.  Zum Vergleich dazu befragte die Bertelsmann Stiftung 2008 die Gesamtbevölkerung, bei welcher  52% der Bevölkerung „durchschnittlich religiös“ angaben und 18% „hoch religiös“. Streicht man aus dieser Studie die Menschen ohne Religionszugehörigkeit, so liegt der Anteil der der religiösen Muslime nur etwas über dem der  Gesamtbevölkerung.

Ähnlich wie im Christentum gibt es auch unter Muslimen verschiedene religiöse Strömungen. Die meisten Muslime in Deutschland sind Sunniten (über zwei Drittel). Andere größere Gruppen sind die Schiiten und die Aleviten. Die Religiosität ist in den verschiedenen Strömungen sehr unterschiedlich, was  auf die Herkunft dieser Gruppen zurückzuführen ist. Viele der Schiiten in Deutschland stammen aus dem Iran und sind von dort meist als Oppositionelle vor dem islamischen Regime geflohen. Die meisten Sunniten stammen aus den ländlichen Gegenden der Türkei und kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. Demnach bezeichnen sich 40% der türkischstämmigen Muslime als sehr gläubig, während unter den Irakern dies nur 10% angeben.
Hinzu kommt, dass manche muslimische Familien nunmehr in der vierten Generation hier in Deutschland sind. Viele gingen hier zur Schule und wuchsen hier auf. Zwischen den Generationen gibt es häufig sehr große Unterschiede in den Wertvorstellungen, Religiosität und Bildung.

So gelten in Deutschland geborene Muslime (2. Generation) als besser integriert als ihre Eltern. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die erste Generation aus bildungsfernen Schichten angeworben wurde und als Gastarbeiter ihren Weg nach Deutschland fand.
1,6 bis 1,8 Mill. Muslime in Deutschland sind unter 25. Doch auch die neue muslimische Jugendgeneration ist in sich heterogen. Da diese jedoch in Zukunft das deutsche Bild vom Islam prägen werden, will ich nun genauer auf sie eingehen.  

Für junge deutsche Muslime bieten sich mehrere Optionen an mit ihrer Religion, Herkunft und dem Leben in Deutschland umzugehen. Es gibt vollständig assimilierte Muslime, die weder ihre Religion praktizieren noch ihre kulturellen Traditionen erhalten und welche, die zwar ihre Religion ablegen,  jedoch ihre kulturellen Werte beibehalten.

Die meisten muslimischen Jugendlichen in Deutschland geben von sich selbst an nicht religiös zu sein.
Von denen, die religiös sind, gibt es wiederum die verschiedensten Gruppen. Manche versuchen ihre religiöse Identität und die Zugehörigkeit zur modernen deutschen Gesellschaft zu vereinen. Einige legen dabei mehr Wert auf das Religiöse andere mehr auf die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft. Wiederum andere verfallen in einen islamischen Fundamentalismus, welcher die deutsche Gesellschaft und das Grundgesetzt ablehnt. Dabei kann der Islam auch mit strengem Nationalismus zum Herkunftsland vermischt werden. 

Speziell nach dem 11. September haben viele Muslime ihre Religion neu entdeckt.  Sie begannen sich zu fragen wofür der Islam überhaupt einsteht, wie der Terror zu erklären sei. Und die überwiegende Mehrheit dieser Reborn- Muslims hat aus dem Koran nicht die Anleitung zum Bombenbau, sondern zu einem besseren Leben herausgelesen. Diese verschiedenen religiösen Orientierungen unterscheiden sich entsprechend der Konfessionen, der verinnerlichten religiösen Dogmatik und auch hinsichtlich der politischen oder ideologischen Positionierung. Manche dieser Jugendszenen sind klar voneinander abgegrenzt, zum Teil überschneiden sie sich aber auch.

Die meisten jungen religiösen Muslime versuchen  ihre Religion und die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft zu vereinen.  Es besteht der Wunsch, als deutsche Muslime in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Dieser Aufgabe nimmt sich beispielsweise die Jugendorganisation der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG) oder die Organisation „Muslimische Jugend Deutschland“ (MJD) an.


Solche Muslime werden heute häufig als „Pop-Muslime“ bezeichnet. Diese Jugendkultur, welche ihre Impulse aus den islamischen Ländern enthält, zeichnet sich dadurch aus, dass sie westliche Werte und Islam verbindet. Die Angehörigen sind zum einen strengreligiös und konservativ - sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe und das Kopftuch  gehören zu ihren obersten Geboten- doch zum anderen sind sie mitten in der Gesellschaft angekommen- haben Abitur, studieren, streben nach wirtschaftlichem Erfolg, sprechen besser Deutsch als ihre „Muttersprache“ und engagieren sich in der Gesellschaft. Sie wenden sich offen gegen den Terrorismus und ärgern sich über einseitige Medienberichte. Sie engagieren sich dafür, dass der Islam in ein besseres Licht gerückt wird und versuchen sowohl die Mehrheitsgesellschaft als auch die eigenen Glaubensbrüder von ihren Visionen zu überzeugen.  

Dem Denken der Pop- Muslime steht das der sogenannten Salafisten  gegenüber. Diese stehen für eine sehr konservative Auslegung des Islam. Auch wenn sie sich distanzierter zur westlichen Gesellschaft verhalten, sind sie dennoch nicht gewaltorientiert. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Richtung ist der Konvertit Pierre Vogel (Abu Hamza), welcher wie ein Wanderprediger in ganz Deutschland die Botschaft vom „wahren Islam“ verkündet.  Innerhalb anderer Jugendszenen, driften die Meinungen über Pierre Vogel stark auseinander. Während Vogels Gedankengut einerseits als gefährlich eingestuft und vor ihm gewarnt wird, weil er eine salafitische Islaminterpretation verbreitet, stören sich andere Jugendliche nicht daran.

Aber auch islamistische Gruppierungen, wie die puritanische Missionsbewegung Tablighi Jamaat (Gemeinschaft der Verkündigung) oder die radikal-islamistisch auftretende Hizb ut-Tahrir (Partei der Befreiung), sind in Deutschland vertreten. Die Tablighi Jamaat verkündigt einen Rückzug in die eigene Gemeinschaft und fallen vor Allem in der Kleidung und durch lange Bärte auf. Aber auch diese Gruppierung lehnt Gewalt ab und ist nicht politisch tätig. Die Hizb ut-Tahrir tritt hingegen stark politisch auf und schließt auch Gewalt zur Erlangung der eigenen Ziele (allerdings nur im Bezug auf die islamischen Länder) nicht aus. 

Eine weitere Option für junge, türkischstämmige Muslime stellt die Organisation der national-religiösen Grauen Wölfe dar. Dieser verbindet rechtsextrem-autoritären türkischen Nationalismus mit islamistischer Gesellschaftsutopie. Das aggressive Bekenntnis verleiht diesen Jugendlichen eine ethnische Identität, die sich bewusst gegen Deutschland richtet.

Eines sollte uns also im Hinterkopf bleiben: Unterschiede treten überall auf.  Es gibt Unterschiede in der Strenge der Religiosität, in den Kulturen, zwischen den Generationen, in der Bildung, im Umgang mit der Herkunft und der Gesellschaft sowie in der Erziehung und im Umgang mit Gewalt. Beinahe überall gibt es Unterschiede. Es ist vollkommen unmöglich von „den Muslimen“ zu sprechen, oder auch nur im Namen „der Muslime“ zu sprechen.

8 Kommentare:

  1. So ist es. Sehr differenziert dargestellt, dennoch wegen der großen Bandbreite nicht ganz umfassend. Gibt aber einen schönen Überblick. Danke dir.

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  2. "Die Angehörigen sind zum einen strengreligiös und konservativ [...] doch zum anderen sind sie mitten in der Gesellschaft angekommen [...]"

    Das Eine schließt das Andere kategorisch aus. Und dass sie es als Erfolg verkaufen wollen, dass sie "besser Deutsch als ihre „Muttersprache“ sprechen" - wohlgemerkt Leute, die teilweise in der 4. Generation hier leben, kann ja nur ein Witz sein.

    "Bei den Geburten beträgt der Anteil der Kinder mit muslimischem Hintergrund allerdings bereits 10% und im Ruhrgebiet ist mittlerweile fast jeder vierte Schüler Muslim."

    Sie haben die Gefahr gut erkannt. Die Menschen in Deutschland haben die berechtigte Angst, langfristig in einem islamischen Staat aufzuwachen. Und mit Blick auf die überwältigende Mehrzahl der muslimischen Länder, die auf jedem denkbaren Gebiet zurückgeblieben sind, würde dass das Ende der Wirtschafts- und Kulturnation Deutschland bedeuten.

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  3. Übrigens sollten Sie erwähnen, dass der Verfassungsschutz sowohl die (IGMG) als auch die (MJD) als verfassungsfeindlich entlarvt hat.

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  4. Also sie sind wohl nicht auf dem neuesten Stand mein Freund. Die IGMG ist schon längst nicht mehr im Verfassungsschutz.

    Du glaubst das Strengreligiös zu sein und trotzdem mitten in der Gesellschfat zu sein sich ausschließen. Da bist du wohl richtig auf dem Holzweg.
    In der Verfassung ist die Religion mitverankert und eine christliche partei die sich auf ihre christlichen Wurzeln bezieht ist auch in dieser Gesellschaft anzutreffen. Oder willst du unsere Kanzlerin auch als eine Frau außerhlab der Gesellschaft darstellen.

    Studien zeigen das über 80% der "Migrannten" gut bis sehr gut Deutsch sprechen. Oder ist diese Studie auch nur Humbuk?

    wie können sie die Geburt von einer Menschengruppe als eine Gefahr ansehen. Genau das zeugt ja von Menschenverachtung, wie es ja kürzlich auch bei Sarrazin anzutreffen war. Schön das jetzt jeder nach dem Buch Sarrazin über uns herlästern und NS Ideologische Thesen verteidigen kann.

    Außerdem, was hat der wirtschaftliche Fortschritt Deutschlands mit dem Islam zu tun?

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  5. @anonym
    Hast du den Text überhaupt gelesen und versucht zu verstehen?
    Oder war das wiedereinmal genau die Gelegenheit deine abnorme Ideologie zu präsentieren.
    Habt ihr denn nichts anderes zu tun als im Internet zu surfen und eure dummen Ideen auszukotzen!
    Na wenn du einen Misstand in der Gesellschaft siehst dann tu doch was. Laber nicht und lass die in Ruhe die versuchen etwas zu tun! Da muss ich der Schwester auch ersteinmal danken. Sehr informativer Text.
    Deine Kommentare bringen uns auf jeden Fall nicht weiter, lieber Anonym!

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  6. Wie cool "Pop-Muslime" muss ich mir merken :)

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  7. MJD? Konservativ? Schade..ich dachte ich finde ein religiöse Gruppe in der ich mein Glauben wieder ausgraben kann..aber mit rückschrittlich denkenden Menschen die einen Hang zum Islamismus haben könnten will ich nichts zu tun haben..Traum von Religions-Neuentdeckung geplatzt.. PS: ic bin türke und 20 Jahre alt.

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  8. Liebe Brückenmuslima - warum schreibst du denn nicht mehr?

    Anonym 27. Juli 2011 - wenn du eine religiöse Gruppe brauchst, um deinen Glauben "auszugraben" stimmt eh etwas nicht. Wie wär's mal mit einem Gebet? Vielleicht fühlst du dann die Religiosität in dir selber... Viel Erfolg!

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