Montag, 22. November 2010

Das „Haus am Sandberg“


-                 -Reflexionsbericht eines Besuchs im interkulturellen Altenheim

„Es ist schön hier“, denke ich. Das Haus liegt etwas abseits der Straße im Grünen und es wirkt einladend. Ich bin aufgeregt, was erwartet mich darin? Ich war noch nie…noch nie in einem Altenheim. Heute will ich das ändern, will wissen wie es darin aussieht und will die Menschen dort kennenlernen. Wird das einfach sein? Ich weiß noch nicht so recht, wie ich mich verhalten soll.

Wir gehen rein und suchen die Rezeption, man wünscht uns viel Spaß beim Besuch und erlaubt uns, uns frei zu bewegen. Wir wissen noch nicht recht wie. Von hinten schauen sie uns schon an, sind neugierig. Wir sind es auch und unbeholfen dazu. Seltsames Gefühl… 

Ich sehe mich um. Es ist hell und überall stehen Pflanzen, der Raum ist groß und offen, alles sehr gemütlich und doch….die Atmosphäre ist ungewohnt, ich fühle mich unwohl, suche erstmal die Nähe der Gruppe.
Wir gehen gemeinsam los. Dort sitzt ein Ehepaar, türkisch, und isst Kuchen, wie alle, denn es ist Sonntag um 15:00 Uhr. Wir stehen um sie herum, die beiden erfreuen sich der Aufmerksamkeit. Wir erklären, dass wir als Gruppe gekommen sind um die Menschen hier zu besuchen und wünschen auch noch ein frohes Opferfest. Sie freuen sich, sie strahlen richtig. Es wird geredet, auf Türkisch und ich versteh es nicht, aber ich erkenne an ihren Gesichtern, dass es sie glücklich macht mit uns zu reden. 

Von allen Seiten sieht man nun zu uns hinüber. Ich befürchte, dass wir in der großen Gruppe die Leute verschrecken.  „Jetzt gib dir einen Ruck“, fordere ich mich selbst. Aber allein trau ich mich noch nicht,  also nehm ich mir eine meiner Freundinnen und frag sie ob sie mit mir nach oben gehen will.
Sie willigt ein und wir nehmen die Treppe. An einem Tisch sitzt eine Dame und sieht uns an. „Nur zu, du packst das!“, ermutige ich mich. Ich begrüße sie und frage wie es ihr geht. Sie hört nicht gut, ich rede lauter. Sie wirkt traurig. Doch sie freut sich uns zu sehen und dass wir mit ihr reden, sie bedankt sich häufig. Wir hören ihr zu, fragen nach ihrer Familie. Sie wird still, sie bekommt nicht viel Besuch, auch wir werden still, traurig, wir fühlen mit. 

Dann  gehen wir weiter  durch die Gänge und betrachten alles. Jeder Gang läuft am Ende in einem größeren  Bereich aus. Dort stehen eine Küche, Tische und Stühle.  Hier sitzen drei Damen, die wir begrüßen. Wir sagen, dass wir heute da sind um hier die Menschen zu besuchen, dass wir mit ihnen reden wollen und wissen wollen wie es ihnen geht.  Den meisten geht es nicht gut, sie haben Schmerzen. Doch Besuch und Kuchen lassen die Schmerzen weniger  schlimm erscheinen. Eine Frau wirkt sehr munter, sie freut sich, weil ihr Sohn heute kommen will und sie gemeinsam zum Friedhof fahren werden, meint sie.

Doch auch sie wirkt bedrückt, eigentlich sei der Tisch für zehn Leute da, aber nur drei sind anwesend. Eine Frau sei im Krankenhaus, erfahren wir. Sie sei gestürzt. Wo die anderen sind, erfahren wir nicht.
Wir ziehen weiter und schauen in den nächsten Gang. Wir gehen vorbei an den Türen, an denen jeweils der Name der Bewohner steht. An einer Tür steht ein türkischer Name und meine Freundin will hineingehen um ihr ein schönes Fest zu wünschen. Ich weiß nicht so recht und lasse sie anklopfen. Frau Y. sitzt im Rollstuhl und auf die Frage wie es ihr geht antwortet sie nur idem sie auf ihrer Fuß zeigt. Sie hat große Schmerzen und will nicht viel reden. Wir beschließen besser wieder zu gehen, sagen einem Pfleger später bescheid. 

Wir kommen an einem weiteren Raum mit türkisch klingendem Namen vorbei, meine Freundin klopft entschlossen an. Doch als wir reingehen wollen fängt die arme Frau an zu schreien. Wir versuchen uns zu entschuldigen, doch es funktioniert nicht, also gehen wir schnell wieder. Später erfahren wir, dass die Frau psychisch erkrankt sei und unter Demenz leidet. Sie lasse nur wenige Pfleger an sich heran. Wir entschuldigen uns, das hatten wir nicht gewusst, denn man hatte uns erlaubt überall hinzugehen. 

Von nun an beschlossen wir lieber in den Gängen zu bleiben und dort die Leute anzusprechen. Ein Herr erzählte uns, dass er zwar keine Familie mehr hätte aber das er sich mit den Leuten im Heim gut verstand. Er fühlte sich auch ganz gut, obwohl er eine Gehhilfe benötigte. Auch er freute sich uns zu sehen und machte ein paar Späße mit uns. 

Wir treffen wieder auf den Rest der Gruppe und erzählen von unserem Erlebten. Ich sehe eine Frau, die mit ihrem Rollstuhl im Gang steht und offensichtlich nicht weiter kommt. Ich frage sie, wo sie hin will. Sie erklärt mir, dass sie gern auch einen Kuchen haben würde und zeigt mir den Weg. Ich schiebe sie und freue mich ihr einen Gefallen tun zu können. Sie möchte zu den drei Damen gebracht werden, die wir am Anfang unseres Besuchs getroffen haben. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Stück Kuchen für sie. Eine Pflegerin übernimmt schließlich diese Aufgabe.

Langsam wird es Zeit wieder zu gehen, doch eine Pflegerin will uns noch den Gebetsraum im Untergeschoss zeigen. Wir gehen neugierig mit. Diejenigen, die noch etwas fitter sind, würden diesen Raum noch sehr regelmäßig nutzen. Wir sind begeistert, denn der Raum ist sehr schön.

Dann verlassen wir das Heim wieder, alle sind mitgenommen. Wir reden nicht sehr viel, müssen die Eindrücke selbst erstmal verarbeiten. Zuhause rufe ich erstmal meine Mama an, frage wie es meinem Opa geht…denke viel, rede wenig.

Benefizkonzert für Pakistan

Am 07.11.2010 fand ein Benefizkonzert zugunsten der Flutkatastrophenopfer in Pakistan und für Menschen in Not statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Tuisa e.V., einem recht jungen muslimischen Verein mit dem Ziel Brücken zwischen Nationalitäten und Religionen zu bauen. So eine Gelegenheit wollte ich mir selbstverständlich nicht entgehen lassen und fuhr mit meiner Sohbet-Truppe (eine Gruppe die sich wöchentlich trifft um gemeinsam über Themen des Islam zu diskutieren) nach Essen ins Colosseum Theater.
Und wir waren nicht die Einzigen. Das Theater war ausverkauft, Menschen muslimischen Glaubens aus den verschiedensten Ländern der Welt. Ein bunter Fleckenteppich der Nationen, der mich erneut daran erinnerte auf welch schöne Weise die Religion Menschen vereinen kann.
Für den Guten Zweck sangen die ebenso verschiedenen Künstler. Den Einstieg machte der Mazedonier Mesut Kurtis. Dieser unterhielt uns in drei Sprachen. Er kombinierte Englisch, Türkisch und Arabisch und sang sich somit in die Herzen aller Anwesenden. Einen ganz anderen Weg ging der vor zehn Jahren zum Islam konvertierte Rapper Ammar114. Der gebürtige Äthiopier sprach vor allem die Jugend mit seinen aufklärenden sowie kritischen Texten an. 
Der Marokkaner Saad Chemmari begeisterte uns mit Nasheeds (islamisch religiöse Lieder), die unter anderem auch auf Deutsch gesungen wurden. Mit seiner arabischsprachigen Band An- Noussra feierte er schon europaweit große Erfolge. Die Hauptattraktion war aber wohl der international bekannte Nasheed- Sänger Maher Zain, auf den so ziemlich jeder im Publikum gewartet hatte. Maher Zain ist gebürtiger Libanese, wanderte  aber schon früh mit seiner Familie nach Schweden aus. Auch er sang auf Englisch, Türkisch und Arabisch und wir alle sangen mit.
Die Pausen verbrachten wir mit dem Bewundern der vielfältig aufgebauten Stände. Es wurden Bücher vom Iqra Verlag verkauft und kalligrafische Wanddekors von „Helal- Tatoo“, die Marke brand99 präsentierte T-Shirts und Taschen und natürlich wurden die Alben der Künstler verkauft, welche man sich zum rechten Zeitpunkt auch signieren lassen konnte.
Für das leibliche Wohl wurde auch gesorgt  und die Einnahmen zugunsten der Flutopfer gesammelt.
So wurde gesungen, gegessen, gelacht und gespendet bis wir am Ende erschöpft aber glücklich nach Hause fuhren.

Sonntag, 7. November 2010

Fünf Minarette in New York

- Filmkritik

Ich bin letztens spontan im Kino gewesen. Der Film hieß „New Yorkta beş minare“, ein Film auf Türkisch mit deutschen Untertiteln. Erst wurde ich durch diese Tatsache etwas abgeschreckt, doch im Nachhinein habe ich es nicht bereut. Der Film handelt von zwei türkischen Anti- Terrorargenten, welche den Auftrag haben den berüchtigten „Dadschal“, Führer einer islamistischen Terrororganisation, von Amerika in die Türkei zu überführen. Der in New York verhaftete Haci Gümüş beharrt jedoch darauf, nicht der gesuchte „Dadschal“ zu sein. Am Ende nimmt der Film eine ungeahnte Kehrtwende, die ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten werde.
Mir hat der Film deshalb gefallen, da der Unterschied zwischen Islam und Terrorismus klar ersichtlich wurde. Zudem wurde gesellschaftskritisch darauf hingewiesen, welche Probleme der Islam durch die Vorurteile des Westens und in seinen eigenen Reihen hat. Letztendlich sah ich persönlich in dem standhaften Haci Gümüş ein Vorbild dessen Worte mich tief ergriffen.
Ein aktuelles und ernstes Thema, das durch Aktionsszenen und Humor aufgelockert wurde und dennoch die Message nicht verfehlte. Also schaut ihn euch an, ob Muslim oder Christ, Deutscher, Türke, Araber oder was auch immer! Es lohnt sich.


"Hey Sie da!"


„Hey Sie da, dürfte ich Sie fragen
Weshalb Sie dieses Tuch da tragen?“

„Ich mache es für Gott, dem Einen
außer Ihm da gibt es keinen.“

„Aber es sieht so hässlich aus,
ziehen Sie es lieber aus!
Wir sind ja auch in Deutschland hier.“

„Doch das Tuch gehört zu mir!
Und ich bin doch glücklich so!
Deshalb frag ich mich „Wieso?“

„Niemals kannst du glücklich sein
das redest du dir selbst nur ein,
denn so ein Tuch ist ohne Zweifel
für immer deine Lebensgeißel!“

„Von wem werd ich denn unterdrückt?
Das ist doch alles ganz verrückt.
Warum darf ich nicht selbst entscheiden,
wie viel ich von mir selbst will zeigen?
Ob viel, ob wenig, ganz egal
doch bleiben sollt‘ es meine Wahl!
Niemand hat mir vorzuschreiben
wie ich es mag mich selbst zu kleiden.“

Freitag, 5. November 2010

Warum ich das Kopftuch trage


Ich war 16 als ich mich dazu entschied das Kopftuch zu tragen und zwar mit dem Beginn der Sommerferien, da ich es erstmal tragen wollte ohne meiner Schulklasse und den Lehrern Rede und Antwort stehen zu müssen.

Ich hatte die Zulassung für die gymnasiale Oberstufe erhalten, ab diesem Zeitpunkt ändert sich das Schulsystem und der Klassenverband löst sich auf. Ich wollte diesen neuen Lebensabschnitt dazu nutzen auch in meinem religiösen Leben einen neuen Schritt zu wagen. Häufig benutzen religiöse muslimische Frauen und Mädchen solch eine Änderung in ihrem Leben um das Kopftuch zu tragen, etwa die Einschulung in die weiterführende Schule oder die Heirat.

Ich will hier betonen, dass mich wirklich keiner dazu zwang, es war meine freie Entscheidung. Im Gegenteil: Herr K., von dem ich Unterricht im Islam erhielt, hatte anfangs Bedenken ob es nicht noch zu früh für mich wäre. Denn mit dem Tragen des Kopftuches wird einem, speziell hier in Deutschland, eine große Verantwortung auferlegt, welche viel Selbstbewusstsein und Geduld fordert. Es gehört dazu, erst genau zu verstehen und zu verinnerlichen weshalb man das Tuch trägt, weil man sonst dem gesellschaftlichen Druck schnell nachgeben würde.

Unweigerlich wird die Situation kommen an der man gefragt wird „Warum?“ wobei  das nur die positivste Reaktion ist. „Warum?“ „Weil es zu meinem Glauben gehört und mein Glaube ist mir sehr wichtig. Er gehört zu meinem Leben wie Essen, Trinken und Atmen, er ist meine Lebensweise, mein Sinn und mein Ziel.“ In erster Linie sind es also persönliche, religiöse Gründe, die nicht für jeden nachvollziehbar sind, besonders nicht für „areligiöse“ Menschen (ohne das negativ bewerten zu wollen). Zu betonen ist, dass es keine gesellschaftlichen oder kulturellen Gründe sind, zumindest bei mir nicht.

Ich fühle mich Gott näher weil ich das Kopftuch trage. Weil mir schon beim Anziehen immer wieder ins Bewusstsein gerufen wird, dass ich damit eine Art Gottesdienst vollziehe. Und immer, wenn ich in den Spiegel sehe oder sich mein Bild in den Schaufenstern auf der Straße reflektiert, wird mir bewusst „Ich bin Muslim“. Es hilft mir also meinen Glauben bewusst zu leben.

Am  Anfang hat mir das „Warum?“ ein wenig Angst gemacht, doch heute bin ich froh, wenn ich gefragt werde. Mir wurde klar, dass mich die Menschen nur auf meine Religion ansprechen, weil sie diese an mir erkennen. Niemand würde darauf kommen, dass ich Muslim bin, wenn ich das Tuch nicht tragen würde. Und ich liebe es den Menschen vom Islam zu erzählen. Das Tuch ist also auch ein „Werkzeug“ um einen interreligiösen Dialog anzufangen, um aufeinander zuzugehen.

Es gibt natürlich auch andere Reaktionen. Da ich in einem kleinen Dorf mit wenig Ausländeranteil aufwuchs und Frauen mit Kopftuch dort sehr selten waren, wurde ich oft schräg angeguckt. Mir fiel das nach einer Weile nicht mehr auf, nur meine nicht-muslimischen Freundinnen erinnerten mich daran, wenn sie sich darüber ausließen „weshalb die mich denn immer so doof anglotzen müssten“.

Es ist auch schon vorgekommen, dass man kopfschüttelnd an mir vorbeigegangen ist oder „armes Ding“ gemurmelt hat. Dabei brauch ich eigentlich kein Mitleid, weil ich glücklich bin, so wie ich bin. Das Kopftuch ist ein Teil meiner Identität, das heißt OHNE es wäre ich unglücklich, so seltsam das für manche auch klingen mag.

Dann gibt es noch die Menschen, die beleidigen oder sich furchtbar aufregen. „Man sei doch hier in Deutschland und nicht in Istanbul, man solle sich anpassen oder sich schämen so rumzulaufen.“ Na ja, man sieht mir mein „Deutschsein“ unter dem Tuch halt weniger an. (Ich sage extra „weniger“, weil die meisten Muslime es mir hingegen sofort ansehen.)

Wenn es dann doch soweit kommt, dass ich erklären kann, dass ich Deutsche bin und nur die Religion gewechselt habe, wird es oft noch schlimmer. „Wie kann man sowas freiwillig machen?!? All die Jahre Emanzipation und dann sowas! Man muss ja bescheuert sein und das kann gar nicht ohne Zwang passiert sein und außerdem, das steht doch nicht mal im Koran, dass man so ein Ding tragen muss.“

Aber, Gott sei Dank, sind das nur die Ausnahmefälle. Ich versuche auch mit diesen Menschen zu reden, aufzuklären wo ich kann. Aber doch sind es diese Fälle, weswegen ich meinte, dass man viel Selbstbewusstsein braucht um ein Kopftuch zu tragen. Selbstbewusstsein! Also das Gegenteil von der Unterwürfigkeit, die uns Muslimas oft vorgeworfen wird. Ich kann heute mit Recht behaupten, dass das Tragen des Kopftuches mich selbstbewusster gemacht hat.

Jetzt mag  sich mancher fragen: „Wozu das Ganze? Hättest du es nicht einfacher ohne? „
Mit Sicherheit hätte ich es im Alltag oder auch später im Berufsleben einfacher ohne das Tuch. Das ist auch der Grund weshalb heute viele Muslimas das Kopftuch nicht anziehen oder wieder ausziehen. Nicht weil sie endlich begriffen haben wie sehr sie dadurch angeblich unterdrückt wurden, sondern aus Angst vor sozialer Benachteiligung. Aber für mich ist dieser Weg keine Option. Ich will so akzeptiert werden wie ich bin und nicht ein Teil meiner selbst aufgeben müssen um sozial angepasst zu sein.  Das Kopftuch ist ein Zeichen meiner Religion, die ich mehr liebe als alles andere in meinem Leben.  Natürlich würde ich meine Religion nicht verlieren nur weil ich das Tuch ablegen würde, aber den Teil, der sichtbar macht, wie wichtig mir diese Lebensweise ist.

Wie ich Muslim wurde


Ich konvertiere zu Islam als ich 14 war. Einige meinen jetzt vielleicht, dass ich damals noch zu jung war um rational so eine wichtige Entscheidung treffen zu können. Und es stimmt, dass ich zu dieser Zeit wohl eher intuitiv gehandelt habe. Da ich aber nunmehr acht Jahre lang Muslim bin und mich beinahe täglich mit diesem Thema beschäftige, kann ich von mir behaupten, dass ich nun im vollen Bewusstsein Muslim bin. Dies soll jedoch die Geschichte sein, wie ich mich dazu entschloss, dem muslimischen Glauben beizutreten:

Ich war immer ein neugieriges Kind gewesen und hatte schon früh versucht die Religion, in die ich hineingeboren wurde (ich war christlich, katholisch) zu verstehen.
Aber leider konnte man mir nie konkrete Antworten auf meine Fragen geben. Irgendwann hieß es dann immer "das musst du einfach glauben, das kann man nicht erklären".
Und sowas ist bei mir einfach nicht möglich! Ich muss verstehen, damit ich überzeugt sein kann und etwas aus vollem Herzen tue...sonst macht man sich, nach meiner Meinung, nur etwas vor.

Und so schloss ich damals mit Religion völlig ab. Denn ich war der Meinung, dass wenn meine eigene Religion schon nicht erklärbar ist,...wo ich doch in einem Land mit so großem Fortschritt lebe und so viele Menschen auf dieser Welt dieser Religion angehören, dann wohl alle Religionen falsch und ausgedacht seien...genauso wie jemand "Hänsel und Gretel" irgendwann mal erfunden hat. Ich war also Atheist (ohne wirklich tief darüber nachzudenken, denn ich war ja wirklich noch sehr jung). Ich glaubte auch nicht an Gott, war der Meinung, dass es Jesus nie gegeben hat und dass die Bibel frei erfunden ist.

Meine Eltern haben mich so aufgezogen, dass ich keine Vorurteile gegenüber jeglichen Menschen habe. Ich hatte zu jener Zeit zwei Tanten aus der dominikanischen Republik und vorwiegend Ausländer in meiner Grundschulklasse und auch später waren meine besten Freundinnen nur in den seltensten Fällen Deutsche. Ich hatte keine Angst vor fremden Kulturen, sondern fand sie spannend.
Ich wohnte zu jener Zeit in einem kleinen Dorf zwischen Köln und Mönchengladbach. Viele Ausländer gab es dort nicht und auch nicht viele Muslime und erst recht keine praktizierenden Muslime. Doch ich hatte (und heute weiß ich, dass es Schicksal war)eine solche Familie als Nachbarn. Durch diese türkischen Nachbarn, wurde mein Interesse wieder geweckt, wenn auch nur sehr langsam.

Diese Nachbarn waren anders...die Mutter trug immer schwarze lange, wallende Gewänder (vom Kopf bis zu den Füßen) und war trotzdem so überaus freundlich und hatte so einen lieben Blick...(und sie machte super Essen). Der Vater trug einen längeren Bart und konnte sowohl finster dreinblicken als auch total freundlich lächeln. Die vier Kinder waren gut erzogen, man konnte locker mit ihnen spielen und es gab nie viel Streit zwischen uns. Wir Kinder spielten immer gemeinsam im Garten des großen Mehrfamilienhauses, und so kam es, dass ich mich mit ihnen sehr gut anfreundete.

Eines Tages fragte mich die jüngste Tochter (sie war damals ca. 12 Jahre alt) ob ich an Gott glauben würde. Ich fand die Frage seltsam und antwortete mit „Nein, gar nicht“. Sie lief weg und setzte sich einige Meter von mir entfernt auf eine Steintreppe im Garten und blieb dort. Ich ging ihr nach und sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Ich fragte nach dem Grund und sie sagte: „Du bist wie eine Schwester für mich, aber ich kann dich nicht so lieben wie ich will, weil du nicht an Gott glaubst.“
Damals verstand ich das nicht, heute schon.
Ich beruhigte sie und versprach darüber nachzudenken.
Als die Familie in den Sommerferien in die Türkei fuhr, dachte ich auch wirklich darüber nach.

Eines war mir klar geworden, diese Menschen hatten einen viel tieferen Glauben als alle, die ich bis dahin kennen gelernt hatte. Und sie mussten ein anderes Verständnis von Gott haben, wenn sie so unbefangen an ihn glauben konnten. Ich wollte herausfinden, was es war, dass einen Menschen so tief glauben lassen kann, das er weinen muss, wenn jemand dieses Glück nicht teilt. (Wenngleich ich diese Gedanken damals noch nicht in Worte fassen konnte)

Ich ging also zu meiner Mutter und erzählte ihr, dass ich Muslim werden wollte, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutete. Ich hörte auf Schweinefleisch zu essen, denn ich wusste, das es im Islam verboten war. Aber weiter wusste ich nichts darüber.
Als die Sommerferien vorbei waren, waren es meine Schwestern gewesen, die den Kindern sagten, dass ich Muslim werden wollte. Meine Einstellung interessierte sie sehr, und sie schlugen mir vor, ihren Vater zu fragen, welcher viel Ahnung von Religion hatte. Doch ich hatte Angst vor diesem Mann, der manchmal so finster blickte und so beschloss ich es erst mal selbst zu versuchen und durch das Wissen der Kinder.
Bald merke ich jedoch, dass ich so nicht weiter kam, denn ich hatte wieder einmal eine Menge Fragen. Also beschloss ich doch zum Vater der türkischen Familie zu gehen.
Er hielt mir Vorträge über den Islam mit der Erlaubnis meiner Eltern, die er vorher gefragt hatte. Ein, zwei- mal im Monat besuchte ich ihn um mehr zu erfahren. Ich spürte gleich, dass in diesen Lehren Wahrheit lag, wenngleich sie mir zu Beginn genauso komisch vorkamen, wie die christliche Religion.
Ich glaubte einfach nicht an Wunder und war überzeugt, dass der Mensch vom Affen abstammt.
Jedoch war hier etwas anders,...die Grundlagen waren logisch. Man hatte eine genaue Vorstellung von Gottes Eigenschaften mit denen man alles Weitere auch erklären konnte. Und man durfte Fragen stellen...nein, ich sollte sogar Fragen stellen.

Und so kam irgendwann die Zeit, wo ich begriff, dass ich Muslim werden musste um glücklich zu sein, denn ich war innerlich immer so zufrieden und mit mir im Reinen, wenn ich den Worten des türkischen Vaters lauschte. Ich konvertierte zwar mit wenig Wissen aber mit der Gewissheit, dass der Islam die Wahrheit ist.

Seitdem sind nun acht Jahre vergangen, ich lernte zu beten und fing an den Hijab zu tragen. Bis jetzt gab es noch keinen Tag, an dem ich es bereut hätte. Im Gegenteil, ich beschäftigte mich weiter mit dem Islam und habe bis jetzt nur tausende Bestätigungen dafür gefunden, dass der Islam die Wahrheit ist. Alle Fragen, die ich gestellt habe wurden auch beantwortet und in allen Jahren kam mir nicht einmal ein Zweifel daran. Es war die beste Entscheidung meines Lebens.