- -Reflexionsbericht eines Besuchs im interkulturellen Altenheim
„Es ist schön hier“, denke ich. Das Haus liegt etwas abseits der Straße im Grünen und es wirkt einladend. Ich bin aufgeregt, was erwartet mich darin? Ich war noch nie…noch nie in einem Altenheim. Heute will ich das ändern, will wissen wie es darin aussieht und will die Menschen dort kennenlernen. Wird das einfach sein? Ich weiß noch nicht so recht, wie ich mich verhalten soll.
Wir gehen rein und suchen die Rezeption, man wünscht uns viel Spaß beim Besuch und erlaubt uns, uns frei zu bewegen. Wir wissen noch nicht recht wie. Von hinten schauen sie uns schon an, sind neugierig. Wir sind es auch und unbeholfen dazu. Seltsames Gefühl…
Ich sehe mich um. Es ist hell und überall stehen Pflanzen, der Raum ist groß und offen, alles sehr gemütlich und doch….die Atmosphäre ist ungewohnt, ich fühle mich unwohl, suche erstmal die Nähe der Gruppe.
Wir gehen gemeinsam los. Dort sitzt ein Ehepaar, türkisch, und isst Kuchen, wie alle, denn es ist Sonntag um 15:00 Uhr. Wir stehen um sie herum, die beiden erfreuen sich der Aufmerksamkeit. Wir erklären, dass wir als Gruppe gekommen sind um die Menschen hier zu besuchen und wünschen auch noch ein frohes Opferfest. Sie freuen sich, sie strahlen richtig. Es wird geredet, auf Türkisch und ich versteh es nicht, aber ich erkenne an ihren Gesichtern, dass es sie glücklich macht mit uns zu reden.
Von allen Seiten sieht man nun zu uns hinüber. Ich befürchte, dass wir in der großen Gruppe die Leute verschrecken. „Jetzt gib dir einen Ruck“, fordere ich mich selbst. Aber allein trau ich mich noch nicht, also nehm ich mir eine meiner Freundinnen und frag sie ob sie mit mir nach oben gehen will.
Sie willigt ein und wir nehmen die Treppe. An einem Tisch sitzt eine Dame und sieht uns an. „Nur zu, du packst das!“, ermutige ich mich. Ich begrüße sie und frage wie es ihr geht. Sie hört nicht gut, ich rede lauter. Sie wirkt traurig. Doch sie freut sich uns zu sehen und dass wir mit ihr reden, sie bedankt sich häufig. Wir hören ihr zu, fragen nach ihrer Familie. Sie wird still, sie bekommt nicht viel Besuch, auch wir werden still, traurig, wir fühlen mit.
Dann gehen wir weiter durch die Gänge und betrachten alles. Jeder Gang läuft am Ende in einem größeren Bereich aus. Dort stehen eine Küche, Tische und Stühle. Hier sitzen drei Damen, die wir begrüßen. Wir sagen, dass wir heute da sind um hier die Menschen zu besuchen, dass wir mit ihnen reden wollen und wissen wollen wie es ihnen geht. Den meisten geht es nicht gut, sie haben Schmerzen. Doch Besuch und Kuchen lassen die Schmerzen weniger schlimm erscheinen. Eine Frau wirkt sehr munter, sie freut sich, weil ihr Sohn heute kommen will und sie gemeinsam zum Friedhof fahren werden, meint sie.
Doch auch sie wirkt bedrückt, eigentlich sei der Tisch für zehn Leute da, aber nur drei sind anwesend. Eine Frau sei im Krankenhaus, erfahren wir. Sie sei gestürzt. Wo die anderen sind, erfahren wir nicht.
Wir ziehen weiter und schauen in den nächsten Gang. Wir gehen vorbei an den Türen, an denen jeweils der Name der Bewohner steht. An einer Tür steht ein türkischer Name und meine Freundin will hineingehen um ihr ein schönes Fest zu wünschen. Ich weiß nicht so recht und lasse sie anklopfen. Frau Y. sitzt im Rollstuhl und auf die Frage wie es ihr geht antwortet sie nur idem sie auf ihrer Fuß zeigt. Sie hat große Schmerzen und will nicht viel reden. Wir beschließen besser wieder zu gehen, sagen einem Pfleger später bescheid.
Wir kommen an einem weiteren Raum mit türkisch klingendem Namen vorbei, meine Freundin klopft entschlossen an. Doch als wir reingehen wollen fängt die arme Frau an zu schreien. Wir versuchen uns zu entschuldigen, doch es funktioniert nicht, also gehen wir schnell wieder. Später erfahren wir, dass die Frau psychisch erkrankt sei und unter Demenz leidet. Sie lasse nur wenige Pfleger an sich heran. Wir entschuldigen uns, das hatten wir nicht gewusst, denn man hatte uns erlaubt überall hinzugehen.
Von nun an beschlossen wir lieber in den Gängen zu bleiben und dort die Leute anzusprechen. Ein Herr erzählte uns, dass er zwar keine Familie mehr hätte aber das er sich mit den Leuten im Heim gut verstand. Er fühlte sich auch ganz gut, obwohl er eine Gehhilfe benötigte. Auch er freute sich uns zu sehen und machte ein paar Späße mit uns.
Wir treffen wieder auf den Rest der Gruppe und erzählen von unserem Erlebten. Ich sehe eine Frau, die mit ihrem Rollstuhl im Gang steht und offensichtlich nicht weiter kommt. Ich frage sie, wo sie hin will. Sie erklärt mir, dass sie gern auch einen Kuchen haben würde und zeigt mir den Weg. Ich schiebe sie und freue mich ihr einen Gefallen tun zu können. Sie möchte zu den drei Damen gebracht werden, die wir am Anfang unseres Besuchs getroffen haben. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Stück Kuchen für sie. Eine Pflegerin übernimmt schließlich diese Aufgabe.
Langsam wird es Zeit wieder zu gehen, doch eine Pflegerin will uns noch den Gebetsraum im Untergeschoss zeigen. Wir gehen neugierig mit. Diejenigen, die noch etwas fitter sind, würden diesen Raum noch sehr regelmäßig nutzen. Wir sind begeistert, denn der Raum ist sehr schön.
Dann verlassen wir das Heim wieder, alle sind mitgenommen. Wir reden nicht sehr viel, müssen die Eindrücke selbst erstmal verarbeiten. Zuhause rufe ich erstmal meine Mama an, frage wie es meinem Opa geht…denke viel, rede wenig.